“Andacht zum sechsten Sonntag nach Ostern – Exaudi 24. Mai 2020.

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christi, der Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geist es sei mit uns allen.  Amen

 

„Kleine Kinder müssen warten lernen!“

 

Ach, wenn man sich auf etwas freut dann ist das als Kind schon schwer, noch abzuwarten bis es endlich soweit ist. Haben Sie auch noch solche Worte ihrer Eltern oder ihrer Lehrer im Ohr? Wenn ich mit meinem Vater etwas schönes machen wollte, zum Beispiel draußen im Garten, und er war noch im Arbeitszimmer, um seine letzten Arbeiten zu erledigen, dann stand ich manchmal in der Tür und quengelte herum. Woraufhin mein Vater sagte: „Nun warte doch mal ab!“ oder eben: „kleine Kinder müssen warten lernen…" wobei er mich damit bei meiner Ehre packen wollte. Ich war schließlich der Jüngste zu Hause und wurde von meinen Brüdern gerne auch mal „Kleiner“ genannt, was mich sehr ärgert. Niemand möchte gerne der kleinste sein. Also appellierte mein Vater an mein Groß-Sein-wollen, um mich so zum geduldigen Warten zu bewegen.

 

Ich war ja vier Jahre im Internat. Von der fünften bis zur neunten Klasse war ich immer nur alle Monate mal zu Hause. Das waren aber dann ganz besondere Zeiten. Und ich erinnere mich noch zu gut: wenn dieses Besuchs-Wochenende nahte, dann begann ich 1 Woche vorher die Tage zu zählen. Ich hatte mir selbst auferlegt erst 48 Stunden vorher mit dem Stundenzählen zu beginnen, weil sonst die Zeit zu lang geworden wäre bis ich meine Eltern wieder sah. Können Sie sich an Ähnliches erinnern? Wie man hoffnungsvoll wartet, weil ein geliebter Mensch gesagt hatte ich komme bald wieder?

Diese Atmosphäre möchte Gott erwecken im Blick auf das ganz große Ereignis, dass die Gemeinschaft zwischen Gott und Menschen endgültig und umfassend verändert:

 

„Siehe es kommt die Zeit, spricht der Herr…“

 

Da kommt etwas auf uns zu! Leider verbinden wir mit diesem Satz in der Regel negatives: da droht eine Gefahr am Horizont – da sieht man eine finstere Zukunft auf sich zukommen – da fürchtet man Ärger mit einem mit Menschen: da kommt etwas auf mich zu!

Ist es nicht schade, dass wir selten in erwartungsvoller Vorfreude denken: bald kommt die Zeit – die schöne Zeit! Wenn Gott sagt: „Siehe es kommt die Zeit...“ dann wollen wir doch einmal genau hinschauen.

A) wer sagt das

B) was sagt er

C) wie nehmen wir es auf

 

A)

...siehe es kommt die Zeit spricht der Herr! Das sagt nicht irgendwer. Hier geht es nicht um jemanden, der mal ja und mal nein sagt, heute so und morgen anders sagt. Hier spricht nicht jemand, dessen Aussage man ins eine Ohr hinein und gleich aus dem anderen wieder heraus lässt, weil man sich darauf nicht verlassen kann. Wenn Gott der Herr etwas zusagt, dann wäre es grobfahrlässig, wenn wir sagten: nichts genaues weiß man nicht – wer weiß schon was davon zu halten ist!

Jesus sagte von diesem Wort Gottes: selbst Himmel und Erde vergehen aber meine Worte werden nicht vergehen! Schon der Psalm 33 verspricht: „was Gott zusagt, das hält er gewiß, denn des Herrn Wort ist wahrhaftig.“ im Laufe der Geschichte erfahren die Menschen, wie sehr Gott sein Wort gehalten hat. Daraus schöpft sich die Gewissheit, wenn Gott etwas verspricht, dann geschieht das auch.

 

B)

In unserem Predigttext heute verspricht Gott zweierlei.

Zum einen sagt er: siehe es kommt die Zeit – da wird noch etwas Besonderes kommen! Zum anderen verspricht Gott auch, was das ist. Ich lese jetzt einmal aus dem Propheten Jeremias Kapitel 31:

 31 Siehe, es kommt die Zeit, spricht der HERR, da will ich mit dem Hause Israel und mit dem Hause Juda einen neuen Bund schließen, 32 nicht wie der Bund gewesen ist, den ich mit ihren Vätern schloss, als ich sie bei der Hand nahm, um sie aus Ägyptenland zu führen, mein Bund, den sie gebrochen haben, ob ich gleich ihr Herr war, spricht der HERR; 33 sondern das soll der Bund sein, den ich mit dem Hause Israel schließen will nach dieser Zeit, spricht der HERR: Ich will mein Gesetz in ihr Herz geben und in ihren Sinn schreiben, und sie sollen mein Volk sein, und ich will ihr Gott sein. 34 Und es wird keiner den andern noch ein Bruder den andern lehren und sagen: »Erkenne den HERRN«, denn sie sollen mich alle erkennen, beide, Klein und Groß, spricht der HERR; denn ich will ihnen ihre Missetat vergeben und ihrer Sünde nimmermehr gedenken.

Soweit unser Predigttext für heute...

 

Was Gott durch den Propheten Jeremia dem Volk Israel versprochen hat, das hat Jesus ausgeweitet auf alle Menschen in der ganzen Welt, die sich zu ihm bekehren. Es ist nichts weniger als eine ganz neue Gemeinschaft zwischen dem Menschen und seinem Gott. Wie sieht diese neue Gemeinschaft aus? Worauf gründet sie sich? Sie gründet sich auf ein Bündnis, dass Gott selbst mit dem Menschen schließt. Gott verbindet sich mit den Menschen so sehr und so Inniglich, dass sie in Zukunft allein sein Volk seine innigliche Familie sein werden. Und dass er, Gott, ganz und gar ihr Gott, ihr Ein und Alles – der Vater und die Mutter für alle Menschen sein wird. Diese Gemeinschaft gründet sich auf einer dreifachen Verheißung. Gott sagt drei Mal: ich will –

  • Ich will Ihnen ein neues Herz geben; mein gutes Lebensgesetz in ihren Sinn schreiben
  • ich will für sie Gott sein
  • denn ich will ihre Missetaten selber vergeben

Im Vergleich mit dem alten Bund – dem ersten Bund, den Gott und das Volk Israel geschlossen haben, steht in dem neuen Bündnis keine Erklärung, was der Mensch zu erfüllen hat. In dem ersten Bund verspricht der Mensch, die guten Lebensregeln Gottes ganz und gar zu befolgen. Und sowie ihm das nicht gelingt, droht ihm logischerweise die Strafe für diesen Bündnisbruch. Und so wurde Gott, kaum das das Volk seinem Gott zugejubelt und diesen Bund angenommen hatte, zum strengen, richtenden Gott, den man fürchtete und darum eine große Distanz zu ihm bekam. Das führte dazu, dass die Menschen versuchten, Gottes Regeln nach außen hin so augenfällig wie möglich zu befolgen, und ihre persönlichen Verstöße so talentiert wie möglich zu verheimlichen. Gott hat durch seine Propheten dieses Verhalten oft angeprangert: Ein ehrliches Herz, das zerknirscht seine Verfehlungen vor mir bekannt, ist mir lieber als die vielen glorreichen Opfer, die nach außen den Schein der Gesetzestreue wahren… Irgendwann hat Gott im Propheten Hesekiel versprochen: ich will euch ein neues Herz geben, das mein Wort demütig aufnehmen und danach leben mögen.

So entsteht das Vertrauen, dass eine unverfälschte Gemeinschaft zwischen Gott und den Menschen schafft: ein neues Herz kann Gott ehrlich lieben und ihm folgen in allem, was er sagt. Diese Gemeinschaft wird so herzlich, dass Jesus uns beibringen kann, dass wir zu Gott in kindlichen Vertrauen anrufen dürfen: Abba d.h. mein lieber Vater – wir dürfen einfach Papa sagen! Nichts, aber auch gar nichts soll mehr zwischen uns und Gott stehen – nichts kann mehr zwischen uns und Gott stehen ... sie hören vielleicht an meiner Stimme schon die Zurückhaltung – eine Skepsis, weil ich in meinem Alltag nur zu deutlich merke, dass das oft nicht der Fall ist! Dann will ich bewusst hinschauen: nicht mein Gefühl und nicht meine religiöse Leistung bestimmt diese Gemeinschaft! Gott selbst sagt: „ich will… Dein Gott sein, dein lieber Vater im Himmel sein – komm zu mir so mühselig und beladen du auch immer sein magst… Komm in die ausgebreiteten Armen deines himmlischen Vaters denn…“

Und was jetzt kommt ist das aller Beste:

Ich will dir alle deine Missetaten vergeben und all deiner Sünden nimmermehr gedenken!

Wie kann das gehen? Gott hebt doch sein Wort und seine Gebote nicht auf. Nein, sagt Jesus, ich bin nicht gekommen die Gebote Gottes auf zu lösen, sondern zu erfüllen:

Dies ist der neue Bund in meinem Blut!

Warum hat Jesus gesagt in meinem Blut besteht der neue Bund? D.h. zweierlei:

1.) das Blut Jesu Christi bedeutet, dass er, der Sohn Gottes, Fleisch und Blut hat! Er, durch den alles geschaffen ist, ist Mensch geworden – so nah kommt uns der heilige Gott: wie Vater und Mutter, wie Bruder und Schwester, wie Ehemann und Ehefrau so nahe kommt uns Gott: ich bin dein Fleisch und Blut!

2.) Das Blut Jesu Christi, sein Leben als Mensch, hat er geopfert, weil die Versündigungen der Menschen, womit sie Gottes gute Lebensregeln alle gebrochen haben, den Zorn Gottes hervorrufen und eine Bestrafung bis hin zum verworfen sein, nach sich ziehen! Jesus richtet einen Sühne-Ort ein: Sein Kreuz! Dort kann jeder Mensch hin bringen, was er je Böses gesagt getan und gedacht hat. Und dort steht Jesus nimmt den Menschen wie verunreinigte Kleidung all das widerwärtige Böse ab, das sie zu ihm bringen. Er gibt dafür seine Heiligkeit, die wir immer wieder und wieder neu anziehen dürfen wie ein weißes Kleid der Gerechtigkeit Gottes. Jesus verkörpert ganz und gar was Gott durch seinen Propheten versprochen hat: ich will Ihnen ihre Missetaten vergeben.

 

C)

Nun schauen wir auf uns.

Vielleicht haben sie das Öfteren genickt, weil sie das alles schon kennen was ich gesagt habe. Vielleicht haben sie gedacht: ja ja – das ist die christliche Botschaft. Manch einer hat vielleicht sogar gedacht: ja so war das damals mit Jesus. Gott hat gesagt es kommt die Zeit und als die Zeit erfüllt war, kam Jesus… Ja damals!

 

Siehe, es kommt die Zeit...!

 

In diesem Satz ist nicht von damals die Rede. Da kommt was! Gott redet von der Zukunft. Und das tröstet mich außerordentlich. So wie es jetzt ist, so ist es ja bei weitem noch nicht perfekt. Ich will nicht klein reden, was wir schon haben, sondern akzentuieren.

Ist es nicht wunderbar und großartig, dass wir ehrlichen Herzens zu Gott kommen können? Es ist solch ein schönes Privileg, dass wir vor Gott nichts verheimlichen müssen, sondern im Gebet unser ganzes Herz öffnen, ihm all unser heimliches Denken und fühlen und wollen offenbaren dürfen. Und Gott spricht: ich tilge alle deine Übertretungen und Missetaten!

Gott hat diesen neuen Bund schon hunderte Jahre vor Jesu Geburt verheißen. Daraus sollen wir tiefes Vertrauen schöpfen. Gott hält sein Wort! Gott tut gewiss was er verspricht  das sei unsere Zuversicht!

Ja wirklich ich möchte Sie ermutigen mit ehrlichem Herzen vor Gott zu leben – und wir brauchen ja Stunde um Stunde wieder und wieder, dass er uns vergibt, wo wir lieblos oder ungerecht oder sonst nicht nach seinem guten Lebens Wort reden denken handeln. Aber das ist bei weitem nicht alles, was uns der heutige predigt Text sagen soll!

Siehe es kommt die Zeit spricht der Herr! Das prophetische Wort reicht weit über die Zeit Jesu vor 200 Jahren hinaus!

Wie schauen wir eigentlich in die Zukunft? Erwarten Sie, dass Gott ihnen persönlich entgegenkommt?

Rechnen wir eigentlich damit, dass vielleicht heute noch etwas außergewöhnliches kommen kann? Jesus selbst hat gesagt: sehe ich komme bald – Ich komme, um diese Welt zu vollenden – ich komme, um euch alle nach Hause zu holen – ich komme um euch alle ganz und gar und endgültig neu zu machen - ich komme, um das neue, herzliche, ewige Leben in inniger Gemeinschaft mit euch zu beginnen.

 

Siehe, es kommt die Zeit, spricht der Herr !

 

Als Kind im Internat habe ich nie an meinen Eltern gezweifelt.

Es war für mich ganz und gar gewiß, dass meine Eltern am Freitagmittag auf unseren Internatsparkplatz kämen und dort auf mich warteten. Weil ich am Versprechen meine Eltern überhaupt nicht zweifelte, darum konnte ich schon voller Vorfreude eine Woche vorher damit beginnen die Tage erwartungsvoll zu zählen. Weil ich mich ganz und gar auf meine Eltern verlassen konnte, darum konnte ich am Mittwoch nach der Schule anfangen die Stunden zu zählen voller Freude über jede abgelaufene Stunde, die mich dem Wiedersehen mit meinen Eltern näher brachte. Und wie sehr freute ich mich auf das ins Bett gehen, weil dann 7-8 Stunden am Stück vergangen waren ohne dass ich sie zählen musste. Am Donnerstagabend wurde voller Aufregung alles gepackt, was mit nach Hause musste und am Freitag in der Schule blickte ich wieder und wieder auf meine Uhr... dann endlich klingelte nach der letzten Stunde die Schulglocke und wir stürmten die Gänge entlang - blickten aus dem Fenster auf den Parkplatz und überflogen die Autos die da schon standen, wo das Auto der eigenen Eltern stand. In Windeseile ging es das Treppenhaus hinunter und ich lief auf unser Auto zu, aus dem meine Eltern, kaum dass sie mich aus dem Hauptportal herausstürmen sahen, ausstiegen. Gemeinsam ging es in die Wohngruppe, ich tauschte schnell meinen Schultornister gegen den gepackten Seesack und schon waren wir auf dem Weg in unsere ersehnte Familienzeit! Und glauben Sie nicht, dass es meinen Eltern anders erging als mir – auch sie warteten auf ihre Weise mit Sehnsucht, dass wir uns wiedersahen.

 

Ich habe Ihnen das Erlebnis aus meiner Kindheit geschildert, um Ihnen Mut zu machen Ausschau zu halten auf unseren Vater im Himmel, unseren Gott, Der in der Gesamtheit elterlicher Liebe und Fürsorge uns entgegenkommt. Er hat uns versprochen: siehe es kommt die Zeit, da will ich mit euch zusammen wohnen und ihr sollt meine Kinder sein und ich will euer Gott sein (Offenbarung 21,3).

 

Siehe – d.h. schau auf! Sieh nicht nur auf deinen kleinen Weg vor deinen Füßen, sondern sieh in die Zukunft: sieh auf zum Himmel! Gott kommt zu dir mit seinem ganzen Heil! Die Zeit wird kommen und wir werden staunen, staunen und staunen...

 

Dieser Sonntag heißt Exaudi und wir übersetzen: Herr erhöre uns! Ich möchte eigentlich einmal andersrum übersetzen: Gott spricht Exaudi! Mensch, hörst du mich überhaupt noch? Mensch, du Mensch, erhöre mich – nimm mein Wort zu Herzen und freue dich auf unsere gemeinsame Zukunft!

Amen